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Der Chinesische Pavillon in Dresden

Lesehalle, Kurcafé, Lazarett, Ausbildungsstätte, Büro, China-Restaurant usw. und heute?  – Seit über hundert Jahren befindet sich der Chinesische Pavillon im Stadtteil Dresden-Weißer-Hirsch. – Anfang des 20. Jahrhunderts verkehrten hier im einst berühmten Kurbad Lahmann-Sanatorium, der Adel und die Hautevolee. Zu den Gästen zählten unter anderem Thomas Mann, Franz Kafka, Rainer Maria Rilke, Theodor Fontane und viele andere.

 

 

Der Chinesische Pavillon erinnert noch an die goldene Ära des Kurbads. Denn einst trafen sich hier die Kurgäste um in den zahlreichen Tageszeitungen sowie Zeitschriften zu lesen und zu schmökern.
Doch dass dieses chinesische Original-Bauwerk nicht einem Baugrundstück weichen musste, ist dem Engagement des heute 86-jährigen Rechtsanwalts Malte von Bargen zu verdanken:

„Und dass ich den Pavillon gefunden habe, war natürlich ein Glücksfall, aber Glück hat man nur, wenn man vorher entsprechende Prägungen hat, sodass man weiß, worum es geht, nicht? Es hat ja niemand gewusst, dass das ein original chinesisches Bauwerk ist. – Ja, das ist so ostasiatisch. Natürlich, aber das es exakt ist (…).“

Dr. malte von Bargen

Dr. Malte von Bargen (Foto: G. Arlt, Mai 2016).

1911 in Shanghai erbaut und in Einzelteilen nach Deutschland verschifft, war der Chinesische Pavillon Teil der ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden. China beteiligte sich als eine von elf Nationen mit diesem Ausstellungsgebäude.

Chinesischer Pavillon

Chinesischer Pavillon (Foto: Theresa Arlt, Mai 2016).

Der Pavillon ist heute das einzige übrig gebliebene Gebäude dieser Schau.
Die chinesische Regierung hinterließ Dresden den Pavillon als Gastgeschenk.
Initiator der Hygiene-Ausstellung war Karl August Lingner. Heute noch bekannt als der Erfinder des Mundwassers Odol.

„Das war von Anfang an die Idee von Lingner. Hygiene wurde ja nicht allein von Lingner entdeckt, aber Lingner war ein großer Promulgator. Er verstand es sehr gut, die Idee der Hygiene weiterzubringen. – Dabei darf man nicht vergessen, dass 1892 es die letzte große Cholera-Epidemie in Deutschland, in Hamburg, mit ungefähr 30.000 Opfern gab. Also der Gedanke, dass im öffentlichen Bereich Hygiene nottut, der war schon überall vorhanden, musste aber freigelegt werden und das war das Verdienst von Karl August Lingner. Er hat überall gesagt, jetzt müssen wir an Hygiene denken.“

Karl August Lingner gründete bereits mit 27 Jahren in einer Gartenlaube in Dresden sein erstes Unternehmen. Durch seine erfolgreiche Vermarktung des Mundwassers Odol gelang Lingner ein schneller Aufstieg zum Millionär.
Zur ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden kamen über 5 Millionen Besucher, was nicht zuletzt an Lingners Ausstellungsmethodik lag. Denn der „Odolkönig“ verstand es, seine Anliegen als Unternehmer mit der Volksgesundheit und sozialen Zielen zu verbinden. – Und der Chinesische Pavillon?

„Die alte Funktion ist nicht wieder herstellbar. Wir haben keinen Kurbetrieb mehr und für den Kurbetrieb hat damals die Gemeinde Weißer Hirsch, die damals noch selbstständig war, aus der Abbaumasse der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 den Pavillon erworben.“

Als Lese- und Trinkhalle, nicht nur für den Kurbetrieb, war der Chinesische Pavillon ein beliebtes Ausflugsziel, auch für die Dresdner. Doch an diese goldenen Zeiten konnte der Chinesische Pavillon in der Vergangenheit nicht mehr anknüpfen.

Chinesischer Pavillon

Chinesischer Pavillon (Foto: Theresa Arlt, Mai 2016)

„Also ich habe festgestellt, dass hier ein Gebäude ist, das nach einem Innenbrand und Vandalismus 1997 vor sich hinsiecht, und um das sich niemand kümmert. Ich habe geahnt, dass es sich um ein chinesisches Original handelt und wie sich inzwischen herausgestellt hat, um das einzige historische chinesische Originalbauwerk dieser Größe in Deutschland.
Man muss dann wirklich sagen, der Pavillon, das ist dann sozusagen meine Lebensaufgabe, dafür bin ich da. Wenn du erst mit 75 Jahren auf die Aufgabe stößt, ist es vielleicht etwas spät, doch ich habe mir gesagt, besser als gar nicht. Und andere sind nicht darauf gekommen. Und wenn ich damals nicht darauf gekommen wäre, wäre der Pavillon wahrscheinlich schon weg.“

2005 gab es bereits Überlegungen, dass der Pavillon einem Baugrundstück weichen sollte.

„Es gab zwei Gutachten, die die Stadt eingeholt hatte, nach dem Brand und Vandalismus. Und beide Gutachten von Fachleuten besagten statisch instabil, der Pavillon muss abgerissen werden. Und ich habe mir herausgenommen, das zu bezweifeln (…).“

Malte von Bargen fügte sich diesem Urteil nicht und setzte sich gegen viele behördliche Schwierigkeiten durch, sprach mit Fachleuten, Architekten, gründete den Verein Chinesischer Pavillon.

„Es waren viele, viele Hürden zu überwinden. Das ist eben auch etwas, dass einen nicht schrecken darf, man muss vorbereitet sein und ich war 75 Jahre alt, als ich angefangen habe, und ich habe mir gesagt, du musst alle anderen Verpflichtungen, außer die familiären, naürlich abbauen, damit du den Rücken frei hast und meine Frau hat das auch so gesehen.“

2005 stand der Gründung des Vereins Chinesischer Pavillon schließlich nichts mehr im Wege.

„Ich habe gesagt, die ersten Mitglieder, die Gründungsmitglieder müssen hier oben am Weißen Hirsch sein. Wenn die vom Weißen Hirsch nicht mitmachen, dann andere erst recht nicht. Ich hatte dann elf Gründungsmitglieder, das ist doch schön, sieben sind Minimum und ich hatte elf.“

Die größte Hürde blieb schließlich die Finanzierung und als der Vereinsgründer den Hinweis erhielt, dass die Schirmherrschaft des damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt bei der finanziellen Unterstützung der Bank eventuell helfen könnte, versuchte er auch dies:

„Bringen Sie die Schirmherrschaft des sächsischen Ministerpräsidenten. Mit diesem hervorragenden Tipp, bin ich in meinen Vorstand gegangen, da haben sie sich gebogen vor Lachen. Wie wollen wir denn das machen? Das wird er doch nie tun! Das hat er noch nie gemacht! Mit Frau Milbradt könnten wir uns das schon vorstellen. – Da habe ich gesagt, es muss der Ministerpräsident sein und ich habe es geschafft.“

Der Pavillon ist wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Die feierliche Eröffnung des Pavillons fand im vergangenen Jahr  (Oktober 2015) statt. Der Chinesische Pavillon ist nun ein Haus für  Veranstaltungen, Ausstellungen, Konzerte, Diskussionen immer mit Bezug zu China. Dabei geht es nicht nur um kulturelle sondern auch um wirtschaftliche Verbindungen.

Chinesischer Pavillon

Chinesischer Pavillon (Foto: Theresa Arlt, Mai 2016)

Doch eines wünscht sich Malte von Bargen, der im vergangen Jahr seinen Vereinsvorsitz abgab besonders:

„Es soll eigentlich so sein, wenn in Dresden etwas in Verbindung zu China stattfindet, sollte es im Pavillon stattfinden und nirgendwo anders.“

In seiner über hundertjährigen Geschichte hat der Chinesische Pavillon vielleicht endlich eine Funktion, die seiner ursprünglichen Herkunft gerecht wird – als Begegnungsstätte für den deutsch-chinesischen Austausch.

Chinesischer Pavillon

Chinesischer Pavillon (Foto: Theresa Arlt, Mai 2016).

 

Vielen Dank fürs Zuhören, vielen Dank auch an Dr. Malte von Bargen für das Gespräch.

Weitere Informationen zum Chinesischen Pavillon finden Sie auf
www.chinesischer-pavillon.de 

Verwendete Beitragsmusik der Reihenfolge nach aufgelistet:

„Equal Value (Ode To A Squirrel)“  (Jared. C. Balogh) / CC BY-NC-SA 3.0
„Temple of the Manes“ (Kevin MacLeod) / CC BY 3.0
Gefunden auf Free Music Archive: freemusicarchive.org

Idee, Sprecherin: Theresa Arlt.

Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 International Lizenz.

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